Kinder­garten­frei – Teil 1: Unsere Gründe

Kindergartenfrei Mädchen im Kindergarten

Unsere Mädels, Mia (5) und Evi (2), gehen nicht in den Kindergarten. Bei Evi fällt das kaum auf – mit zwei ist das sozial noch geduldet. Aber bei Mia? Da kommt die große Augenbrauen-Parade. Ob wir eine Sekte gegründet haben oder wenigstens eine Telegram-Gruppe mit Aluhut führen? Nein. Wir leben einfach kindergartenfrei.

Und weil viele fragen, warum um alles in der Welt wir unseren Kindern die Wunderwelt des Frühförderwahnsinns vorenthalten, kommen hier unsere Gründe – ehrlich, sarkastisch, ungeschönt. So, wie’s eben war.

 

1. Früher dachten wir auch, das System sei sinnvoll

Auch wir waren mal ganz normale Eltern mit Windelrucksack und dem festen Glauben an „das System“. Bis Mia kam. Und alles irgendwie nicht mehr so „sinnvoll“ wirkte.

Irgendetwas verbergen wir. Es muss so sein. Warum sonst sollten wir unseren kleinen Geschöpfen diese wunderbaren Einrichtungen, die Teil eines ausgeklügelten, pädagogisch wertvollen Systems sind, vorenthalten. Diese Institutionen, in denen die individuelle Persönlichkeit sich optimal entfaltet. Bezugspersonen nehmen sich alle Zeit der Welt, kommunizieren auf Augenhöhe mit den Kindern. Die Öffnungs- und Schlafenszeiten richten sich nach dem Biorhythmus der Kinder und es gibt ein gesundes, zuckerfreies Mittagsessen. Es ist klar, Kinder entwickeln sich nur zu glücklichen Erwachsenen, wenn sie die Ellbogenmentalität richtig leben. Nicht auszudenken, wäre das Schreckensszenario einer Welt, bevölkert von Menschen, die mit der Natur und sich im Reinen sind. Eine Welt voller kreativer Erfinder, hinterfragenden, kompetenten Politikern und minimalistischen Philanthropen. Als Kapitalist wird einem da schon schlecht.
Diese Ansichten hatten wir anfänglich nicht oder nicht so stark ausgeprägt. Heute würde ich es als Blase bezeichnen, in der ich wirklich dachte, das komplette System sei sinnvoll für die Entwicklung.

Unser Leben, jenseits von Kindergartenfrei, bevor die Blase platzte

Mia sah tatsächlich einen Kindergarten von innen. Mit bereits 1 ½ Jahren besuchte sie den örtlichen Kindergarten. Seit wir Kindergartenfrei leben, trete ich mir dafür selbst in den Arsch. Für mich war es wichtig schnell wieder zu arbeiten, um unabhängig zu sein. Sie machte auf mich einen glücklichen Eindruck. Ich gab sie ab und sie lief freudig in den Gruppenraum. Sie spielte mal hier und mal dort. Immer kontaktfreudig. Mit knapp 3 Jahren, wechselte sie die Gruppe und kam zu den Größeren. Bald darauf kam ihre kleine Schwester auf die Welt und es zeichnete sich das erste Unbehagen ihrerseits ab. Morgens in den überfüllten Gruppenraum zu gehen, Konflikte mit älteren Kindern, keine richtige Verbindung zu einer festen Betreuerin.

In Mia wuchs der Wunsch mehr Zeit mit uns zu verbringen. Bedürfnisorientierte Kommunikation war bei uns noch nicht angekommen. Gelesen hatte ich davon, konnte vieles noch nicht umsetzen. Ihr wisst ja, die „Das-muss-so-Blase“. Generell war ich zu Hause. Ich konnte darum nicht mit dem Argument kommen, dass sie in den Kindergarten gehen MUSS, weil ich arbeiten MUSS. Die lapidar zusammengefasste, von oben diktierte Antwort: „Du musst in den Kindergarten, weil alle halten das für sinnvoll. Du musst jeden Tag gehen, um den Gruppenzusammenhalt zu stärken. Wenn ich jetzt nachgebe, denkst du, du kannst mir auf der Nase rumtanzen. Du musst lernen mit unangenehmen Situationen umzugehen.“ Scheiße ja, das dachte ich damals. Wobei mir innerlich schon Zweifel kamen.

Spätestens als Mia nicht mehr mit Begeisterung in den Gruppenraum rannte, sondern erste Widerstände zeigte, begann bei mir das Grübeln. Noch leise – aber hartnäckig.

 

2. Der Türrahmen-Tag

Eines Tages hielt sich Mia schreiend am Türrahmen des Kindergartens fest. Sie wollte nicht zu den anderen Kindern und mit uns lieber wieder nach Hause. Ich ging trotzdem, lies sie zurück mit wut- und trauererfülltem Gesicht. Die Erzieherin stapfte mit dem strampelnden und schreienden Kind unterm Arm in den Gruppenraum. In mir ein innerer Kampf: „Soll ich gehen oder soll ich sie wieder mitnehmen? Nein, das geht nicht, dann läuft es bestimmt jeden Tag so ab.“

Ich fuhr nach Hause. In diesem Moment hätte ich einen Rat gebraucht. Eine Betreuerin oder eine andere Mutter, die mich anzwinkert und sagt: „Komm, nimm sie mit. Alles andere zerstört das Vertrauen in dich.“ Leider hatte ich nur meine innere Stimme. Eine kleine, leise, die ich viel zu lange unterdrückte und jetzt nicht laut genug war. So war die Vorstellung, wie Mia reagieren würde, wenn ich jetzt auf dem Absatz kehrt machte und sie mit einer freudestrahlenden Umarmung, unter den tadelnden Blicken der Erzieherinnen, wieder mitnahm, nur ein Wunschtraum.

Mir war klar, wenn ich sie jetzt mitnahm, dann würde sie gar nicht mehr hinwollen.

Zuhause dachte ich den ganzen Vormittag darüber nach, wie es wäre, wenn Mia nicht in den Kindergarten geht. Wir also Kindergartenfrei leben. Ich fühlte mich meiner Ruhe- und Aufräumzeit am Vormittag beraubt. Zusätzlich eine innere Angst, wie anstrengend zwei Kinder zuhause sind. Niemals könnte ich dem gerecht werden. Ich arbeitete im Geiste alle negativen Vorurteile ab, die mir in den Sinn kamen. Alles was sie lernen muss und ich ihr nicht bieten kann: Mia sollte lernen sich anzupassen, still zu sitzen, Konflikte selbst zu lösen, Sozialkontakte aufzubauen. Danach verglich ich diese Punkte mit den positiven Aspekten. Auf diese gehe ich in Teil 2 ein. Um 12 Uhr holte ich sie dann wieder vom Kindergarten ab. Am nächsten Tag brachte ich sie nicht wieder hin. Auch nicht am darauffolgenden. Daraus wurde eine Woche. Es kam Corona.  Es wurde vieles einfacher. Also… nicht im Alltag, aber im Kopf. Niemand stellte mehr Fragen, warum Mia nicht in den Kindergarten ging. Es war ja jetzt offiziell erlaubt, zuhause zu bleiben. Und genau das taten wir. Irgendwann kam dann einfach keine Rückmeldung vom Kindergarten mehr. Ich nahm das als Zeichen. Und schließlich meldete ich sie ab. Und so wurde der Türrahmentag ihr letzter Tag im Kindergarten.

 

3. Eine Verkettung unglücklicher Ereignisse, die zu unserem Kindergartenfreien Alltag führten

Es war nicht nur der eine Tag. Es waren viele kleine Dinge, die sich nach und nach zu einem sehr klaren Bild formten.

Ein anderes traumatisches Kindergarten-Erlebnis hatte Mia, als der Alarm vom Rauchmelder losging (Fehlalarm) und sie genau darunter stand. Sie war wohl in diesem Moment auch noch alleine im Flur. Ich kenne die Geschichte nur aus Erzählungen der Erzieherinnen. Zuhause angekommen traute sie sich nicht mehr ins Haus und bestand darauf alle Rauchmelder abzunehmen. Bis heute kann sie im Dunkeln nicht an Rauchmeldern vorbei gehen. Ein einprägsames Ereignis.

Ein anderer Moment war, als ich Mia einmal abholen wollte (sie war 2) und sie noch schlief. Der Schlafraum ist ein kleiner dunkler Raum voll mit kleinen Bettchen auf dem Boden. Bettchen an Bettchen ohne Trittfläche dazwischen. Irgendwo am Rand ein Stuhl für die Betreuerin, die die Einschlafbegleitung macht. Die Bezugserzieherin sagte mir, dass sie heute einfach nicht schlafen wollte. Es war so ungewöhnlich, sie stand ständig wieder auf und sagte nichts.  Die Bezugserzieherin wurde dann strenger. Mia legte sich darauf wieder hin. 
Als ich Mia dann weckte und hochnahm, stellte ich fest, dass alles nass war. Die Windel war ausgelaufen. Entweder hatte Mia in den nassen Sachen geschlafen, (und diese Vorstellung ist für mich unerträglich) oder sie wollte sagen, dass sie Pipi muss, konnte sich aber nicht ausdrücken. Ich bin mir sicher, ihre Bezugsbetreuerin hätte sie niemals mit nassen Sachen schlafen lassen. Aber wären nur 3 Kinder in dem Raum gewesen, hätte sie sich mehr Zeit nehmen können um genauer nachzufragen.

 

4. Hohes Stresslevel, nicht nur für die Betreuerinnen

Eigentlich waren die Signale für Stress im Kindergarten schon viel früher da. Mia bekam Dellwarzen. Wir hatten viele Ideen, woher es kommen könnte. Im Schwimmbad angesteckt. Im Kindergarten geholt. Sie hatte fast ein Jahr die Kniekehlen damit voll und wir hatten viel versucht, um sie wegzubekommen. Vergeblich. Dellwarzen sind allerdings auch dafür bekannt, bei Stress auszubrechen. Stress. Direkt ausgeschlossen. Was denn für Stress? Das Kind hat doch alles, was es braucht. Und wie gesagt im Kindergarten war beim Abgeben und Abholen alles super. Vielleicht lehne ich mich mit dem folgenden Satz zu weit aus dem Fenster. Mittlerweile glaube ich, dass Bakterien und Viren nur einen Bruchteil damit zu tun haben, dass unsere Kinder mit Eintritt in den Kindergarten ständig krank werden. Ich denke, dass die hohe stressbedingte Cortisolkonzentration für ein geschwächtes Immunsystem verantwortlich ist. Das Kind ist glücklich, trotzdem kann es permanent gestresst sein. Kindergartenfrei sorgt automatisch für weniger Stress.

 

5. Die aktuelle Situation – Kindergartenfrei wegen der Maßnahmen

Mia merkte mal an, dass sie wieder in den Kindergarten wollte. Da bedürfnisorientiert auch heißt, dass jeder seine Lebensentscheidungen selbst treffen darf, diskutierten wir über einen Wiedereintritt. Aufgrund der aktuellen Maßnahmen (über die Sinnhaftigkeit, nach aktuellem Wissensstand, lässt sich sicherlich streiten), entschieden wir uns strikt dagegen.

Die Umsetzung der Maßnahmen unterschieden sich deutlich nach Betrieb und Panikmache des jeweiligen Betreuungspersonals. Während die Kinder aus Kindergarten A mit entzündeten Händen durch die ständige Desinfiziererei heimkehrten, merkten die Kinder in Kindergarten B kaum etwas von Corona. Was ich definitiv für gesünder halte. Statt jeden Tag die Hände wund zu waschen, hätte man die Gruppen vielleicht zu Waldgruppen umfunktionieren können. Sich einfach mehr im Außenbereich aufhalten. Aber zu gesunde und robuste Kinder, will anscheinend auch keiner. Es stellte sich außerdem heraus, dass Mia nur gern mit 2 bestimmten Kinder spielen und eigentlich nicht generell wieder in die Kita wollte. Ich habe die Playdates dann organisiert. Problem gelöst.

 

Das waren die Hauptgründe für unsere Entscheidung Mia Kindergartenfrei aufwachsen zu lassen. Ich bin mir sicher, dass ich bei Corona-Punkt anecke. Trotzdem ist dein Kommentar, auch wenn er negativ kritisch sein sollte, ist hier gern gesehen. In Teil 2 erfährst du wie das Zusammenleben Kindergartenfrei funktioniert,

Ich freue mich auf deine Meinung. Tüdelüü in pink

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Nicky stellt sich vor Selfie

Ich bin eine selbstständige, verheiratete Zweifachmama.

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